„Stadtbummel mit Angie
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Aber es ist ihr Leben. Sie kennt kein anderes. Sie ist hier im Bahnhofsviertel zu Hause. Sie ist hier eine Mischung Szene-Queen und Sozialarbeiterin. Die Jungs behandeln sie mit Respekt. Wenn sie sich irgendwo auf dem Gehsteig niederlässt, hält sie Hof. Und wenn sie findet, dass jemand so aussieht, als würde er Hilfe brauchen, fragt sie, was los ist. Und versucht zu helfen. Irgendwann auf unserer Szenetour fällt mir auf, dass ich kein einziges junges Mädchen gesehen habe. Also frage ich Angie, wo in Frankfurt der Babystrich ist. „Hier gibt es keinen Babystrich“, gibt sie mir zur Antwort. Ich kann es nicht glauben. Es wäre zu schön, um wahr zu sein. Und warum sollte es ausgerechnet in Frankfurt keine Treberinnen geben ? Oder warum sollten die Treberinnen ausgerechnet in Frankfurt nicht anschaffen, um zu überleben ? Da erzählt mir Angie stolz von den walkmen. Das ist ein Verein, der sich um die jugendlichen Ausreißer/innen kümmert. „Wenn die so ein Kid auf der Straße sehen, sprechen sie das an und holen es weg von der Straße. Die haben Räume, da können die Kids wohnen, und da kriegen die zu essen und alles, was sie brauchen. Und das funktioniert.“ Wenn sie selbst minderjährige Mädchen oder Jungen auf dem Strich sieht, alarmiert Angie die walkmen, die wiederum sie bitten, sich gezielt umzuschauen, wenn eines der Kids verschwunden ist. „Hier im Viertel“, fasst sie zufrieden zusammen, „ist keine Frau, die anschafft, jünger als 22.“ „Was nicht heißt“, fügt sie mit einem bösen Lächeln hinzu, „dass die Typen nicht nach Mädchen fragen.“ Das machen sich dann Kolleginnen von ihr zunutze, die jünger aussehen, als sie sind, und sich zusätzlich „auf kindlich stylen“. Damit verdienen sie gutes Geld, und die entsprechenden Freier werden wenigstens ordentlich gelinkt.“ (S. 78/79)