Der Ort, an dem Soziale Arbeit stattfindet, definiert nicht seinen Inhalt. Dieser gehört vielmehr zu den Voraussetzungen, denen die Mittel angepaßt werden müssen. Je nach Ziel und Inhalt der Arbeit, kann es mehr oder weniger wichtig sein, Präsenz auf der Straße zu zeigen, den Kontakt zu verschiedenen Gruppen zu suchen und zu halten.
(In den Arbeitsberichten von sowohl WALK MAN wie auch Crack-Street-Projekt wurde die folgende kurze Positionierung von 2004 hierzu übernommen:)
Streetwork ist kein Selbstzweck. Die Ziele definieren sich aus der Aufgabenstellung als Sozialarbeiter oder Mediziner in einem bestimmten Arbeitsfeld. An dieser Aufgabenstellung muß sich insbesondere die Aufsuchende Arbeit messen lassen. Gerade im ungeschützten Rahmen auf der Straße kommt es besonders darauf an, die eigene Rolle und damit auch die professionelle Aufgabenstellung klar zu definieren. Dieser klaren Definition müssen dann die eingesetzten Arbeitsmittel folgen. Streetwork ist eines dieser Mittel, das dazu dient, die gestellten Aufgaben lösen zu können.
Die extreme Gegenposition beruht auf den geringen Kosten, die Streetwork als Arbeitsinhalt verursacht und dem Mythos des „Frontschweins“, der mit dem Begriff verbunden ist. Sie geht davon aus, daß alleine das Aufsuchen der Zielgruppe schon ein Wert sei. Bei Streetworkertreffen wird gerne von den KollegInnen aus der Knastsozialarbeit berichtet, die sich als „Streetworker“ bezeichneten, weil ihr Büro auf der der Justizvollzugsanstalt gegenüberliegenden Straßenseite lag. Bei relativ geringen Personalkosten kann Streetwork nach außen als Ansatz verkauft werden, der angeblich besonders schwierige Klientengruppen erreichen kann. Bei erfolgreicher Streetworktätigkeit ist dieses „Erreichen“ oder „in Kontakt Kommen“ Grundlage für die weitere Arbeit. Auch hierfür sind Ressourcen erforderlich, die extrem flexibel gehandhabt werden müssen und den Anforderungen in dem jeweiligen Arbeitsfeld zu entsprechen haben. Die wesentlichen Kosten, die durch Streetwork verursacht werden, entstehen aber in den weiterführenden Angeboten. Diese sind nicht eine Zugabe zu unabhängig zu denkender Arbeit auf der Straße, sondern deren zentraler Inhalt. Ihr Fehlen entzieht allen Tätigkeiten auf der Straße die Grundlage und gefährdet nicht nur die Erfolge der dortigen Arbeit, sondern auch die StreetworkerInnen als Person.
Entscheidend für die „professionelle Nähe“, die in der Arbeit mit DrogenkonsumentInnen mit extrem problematischen Konsum notwendig ist, ist die Definition der professionellen Ziele. Fehlt diese verkommt die Beziehungsarbeit zum einfachen und handlungsunfähigen Mitleiden. Dies ist die beste Voraussetzung für den „Burn-Out“, das Verheizen von ehemals fähigen und kompetenten MitarbeiterInnen. Nur die Professionalität, also Zielgerichtetheit und fachliche Kompetenz, ermöglichen in dem unbestimmten und ungesicherten Feld der Straßenarbeit, daß die für die Arbeit notwendige Nähe nicht in (Über-)Identifikation untergeht.
Gegenwärtig finden massive Auseinandersetzungen darüber statt, welche Ressourcen gesellschaftlich für welche Bereiche noch zur Verfügung gestellt werden (können). In allen Feldern von Sozialarbeit stehen Kürzungen ins Haus. Es wäre ein fataler Fehler, daraus den Schluß zu ziehen, bestehende Angebote durch Streetwork zu ersetzen. Die Kosten für solche Projekte sind nur kurzfristig und scheinbar geringer. Faktisch stellen Einschränkungen der bestehenden Angebote und individuellen Perspektiven für die KlientInnen den Arbeitsansatz auf der Straße in Frage.